Eine kleine Ewigkeit hat diese stattliche und mächtige Eiche wie ein Wächter an
dem kleinen Flusslauf gestanden, ja im wahrsten Sinne des Wortes über ihn gewacht.
Mehr als ein halbes Jahrtausend spannte sie ihre mächtigen Äste wie schützende
Arme über das Flüßlein.
Unendlich viel Wasser muss all die langen Jahre an ihr vorbeigeflossen sein. Wasser, das diese Eiche gespeist und ihr Kraft gegeben hat. Wasser, das diese Eiche, zusammen mit den Mineralien der Erde
und dem Sonnenlicht, zu solch einem mächtigen Baum hat
wachsen lassen.
Anhand der Jahrringe und der Struktur des Holzes lässt sich nachvollziehen:
Diese Eiche hat ein ruhiges, beständiges, langsames und entspanntes Wachstum
und Leben genießen dürfen.
Ein Baum, der in seinem bedächtigen Leben all den Stürmen im hohem Norden Deutschlands getrotzt und widerstanden hat - eine echte Deutsche Eiche eben.
Letztlich unterspülte das Wasser aber auch die Wurzeln und nahm der Eiche jene Kraft, die dem mächtigen Baum über mehr als 250 Jahre Stand und Halt gab.
Bäume erfüllen unsere Herzen „mit tiefer und geheimnisvoller Freude“, schrieb der Schriftsteller Elias Canetti. Bäume wurden schon zu ganz besonderen Freunden für
uns Menschen.
Aber woher kommt diese fast mystische Verbindung? Vielleicht liegt sie darin, dass die Bäume viel größer und dauerhafter sind als wir Menschen.
Diese 250 Jahre alte Eiche hatte Ihre „Geburt“ ungefähr zurzeit als Amerika entdeckt wurde. Sie hat den dreißigjährigen Krieg, die napoleonische Besatzung, die Weimarer Republik und zwei Weltkriege erlebt.
Vielleicht ist es gerade das, was wir beim Anblick eines solch mächtigen Baumes spüren. Diese Kraft die uns unsere Bedeutungslosigkeit spüren lässt, weswegen wir demütig
und gleichsam bewundernd zu den Bäumen aufschauen. Diese Kraft, die gerade diese beschriebene tiefe und geheimnisvolle Freude in uns weckt: Die Freude, einem solchen Freund begegnen zu dürfen. Ein Freund der uns nicht nur Schutz und Sicherheit vermittelt.
Bäume begegnen uns zu jeder Zeit an den verschiedensten Orten. Fast magisch zieht uns ihre Ausstrahlung in ihren Bann. Wir genießen ihren majestätischen Anblick, den Schatten ihrer Blätter als
Ausdruck von Lebenskraft und fest verwurzelter Poesie.
Die unzähligen Linden, nicht nur am Brunnen vor dem Tore, geben Zeugnis davon.
Als Tanzlinden, Gerichtslinden oder Dorflinden waren sie jahrhundertelang gesellschaftlicher Mittelpunkt im Dorf.
Später ließen Kaiser und Könige zahlreiche Platanenalleen entlang ihrer Fahrtwege anlegen. Auch der Weg zu der „Wächtereiche“ führte uns durch solch eine mächtige und schützende Allee an deren Ende, am Flusslauf, unsere Eiche gestanden hat.
Eichen waren schon zu jeder Zeit Ausdruck von besonderer Stärke und Dauerhaftigkeit: „Robust“ leitet sich vom lateinischen Namen der Eiche, Quercus robur, ab und bedeutet fest wie Eichenholz.
Dauer jenseits irdischer Zeitrechnung zeigt sie im Mobiliar von Bischöfen und Kardinälen, die traditionell nur Eiche bevorzugten. Auch im Chorgestühl der großen Kathedralen, das seit jeher
ausschließlich in Eiche ausgeführt wurde beweist sie ihre Dauerhaftigkeit und Stärke.